Zukunftsforscher Matthias Horx im Interview

Zukunftsforscher Matthias Horx im Interview

Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx wird am 22. November beim 3. Zukunftskongress der Familienunternehmer in Leipzig die Keynote halten. Mit WIR FAMILIENUNTERNEHMER sprach Horx vorab im Interview über Arbeit, Normen und Grenzen der Globalisierung.

 1. Wie wird sich Arbeit in Zukunft weiter entwickeln?  

Sie wird flüssiger, dezentraler, „virtueller“ - wie alle Systeme passt sich auch das Arbeits-System an die veränderte Realität von Wirtschaft und Gesellschaft an. Wir verlassen die alte 8-Stunden-Logik des Industriezeitalters, immer mehr Menschen arbeiten in Teams und Projekten. Arbeit wird kommunikativer, komplexer, anspruchsvoller, aber auch spannender. Das Verhältnis zwischen Mann und Frau ändert sich, die klassischen „linearen“ Männerkarrieren werden seltener. Das erzeugt einen enormen Flexibilisierungsdruck von „unten“, von der Familie aus - und viele Unternehmen reagieren heute schon mit Flexibilisierungs-Programmen, bei denen Mann und Frau sich irgendwann die Arbeitszeit selbst wählen können, je nach der jeweiligen Familien-Situation. Gleichzeitig polarisiert sich Arbeit zunehmend in der Wissensökonomie: Für die einen wird sie zunehmend zur Selbstverwirklichung, zur schöpferischen Form des Selbst-Ausdrucks, ja sogar zum Lebens-Abenteuer, für die anderen prekarisiert sie sich. Die ausklingende Industriegesellschaft lässt noch eine Menge „schmutziger“ und monotoner Jobs übrig. Da müssen wir ran, das müssen wir verändern!  

2. Wie kann die Verwaltung in Zukunft aussehen?  

Auch Verwaltung kann modern, digital und effektiv sein. Sogar kreativ im Sinne von innovativen Zielsetzungen, und deshalb ist schon das Wort „Ver-Waltung“ ein Problem. Es sollte eher „Ge-Staltung“ heißen. Die skandinavischen Verwaltungen schaffen das oft. Dazu braucht man natürlich Leistungsanreize und einen engagierten Geist, und eine zukunftsfähige Idee. Gute Verwaltung kann Wunder bewirken!  

3. Sind nationale Richtlinien (DIN-Normen; Reinheitsgebote etc.) nicht längst überholt?

In der Tat - die meisten zumindest. Wo es um Umwelt, um Infrastruktur, um Verkehr, um Digitalität geht, sind nationale Normen veraltet. Wenn man sich die EU-Normen anschaut, dann sind diese, entgegen vieler Gerüchte und Unkenrufe, oft ziemlich sinnvoll. Man schimpft gerne gegen Waschmittel-Verordnungen oder Staubsauger-Wattgrenzen, aber wenn man die CO2-Produktion eindämmen und die Umwelt verbessern will, braucht man so europaweite Maßstäbe, die auch den diversen Lobby-Interessen Einhalt gebieten können. Bei den Auto-Emissionen sind zum Beispiel die Euro-Normen weitgehend akzeptiert, und das ist gut so.  

4. Brauchen wir Grenzen der Globalisierung?  

Wir brauchen eher mehr ECHTE Globalisierung, auch eine Globalisierung der Herzen. In der Umwelt-Dimension haben wir inzwischen längst verstanden, dass wir auf EINEM Planeten leben. In Wirtschaftsdingen und im Alltagsleben scheint das schwieriger zu sein, da sind wir erst am Anfang. Der Soziologe Pankaj Ghemawat hat festgestellt, dass nur 2 Prozent aller Telefongespräche über nationale Grenzen gehen, nur 9 Prozent aller weltweiten Investments und nur 20 Prozent aller produzierten Waren. Nur 15 Prozent aller Facebook-Freunde sind international. Allerdings werden immer mehr internationale Ehen geschlossen. Vielleicht ist es die Liebe, die die Globalisierung nachhaltig voranbringt. Dort, wo häufig interkulturell geheiratet wird, ist die Kultur toleranter und die Wirtschaft agiler. Man denke an das Gegenbeispiel Japan, ein Land, das sich weitgehend von der kulturellen Globalisierung abkoppelt und inzwischen eine Menge ökonomischer Volatilitäts-Probleme hat.  

5. Solidarität, nein danke! Wird sich Europa in Zukunft auf Kleinstaaterei einstellen müssen?  

Die Crux liegt im Entweder-Oder-Denken. Es muss kein Widerspruch sein, eine lokale Identität und ein globales Bewusstsein zu haben. Wir sprechen auch von GloKALisierung - als Verbindung von Heimat und Weltoffenheit, als Hang zu regionalen Lebensmitteln und globaler Weltmusik. Das ist die Alternative zum Gegentrend der Abkapselung, der letztlich immer im wirtschaftlichen Ruin enden wird. Wenn wir in der globalen Welt Wirtschaft re-nationalisieren wollen, dann schaffen wir extreme negative Turbulenzen. Die Folge ist, dass nationale Industrien geschützt werden, die dann aufhören, sich selbst zu innovieren, weil sie nicht mehr im Wind der Konkurrenz stehen. Daraus entstehen langfristige wirtschaftliche Niedergänge. Dagegen sollte sich Europa auf seine REGIONALE Struktur berufen. Regionen sind sinnvolle Orientierungs-Räume, Nationalstaaten sind oft künstliche Gebilde, die im Industriezeitalter mehr oder minder zufällig entstanden. GloKALisierung findet über nationale Grenzen hinweg statt, definiert aber Kultur- und Lebensräume. Das nimmt die Angst vor dem Identitätsverlust.


Termin-Hinweis: Visionäre machen Wirtschaft!

3. Zukunftskongress der Familienunternehmer

Nach den erfolgreichen Kongressen zur Zukunft der Arbeit (2014) und zu Produkten und Technologien von morgen (2015) werden in diesem Jahr MEGATRENDS und insbesondere die DIGITALISIERUNG aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und hinterfragt.

Welche Entwicklungen und Veränderungskräfte sind langfristig so wichtig, dass sie Technologien, Ökonomie und Wertesysteme durchdringen? Was sind die Schlüsseltrends des digitalen Wandels? Wohin führen uns Plattformen, Disruption und Digitale Transformation?

In Leipzig, der Trendcity Deutschlands, erwarten wir Zukunftsexperten und visionäre Unternehmer als Redner und freuen uns, gemeinsam mit Ihnen strategische Zukunftsmodelle zu reflektieren und zu diskutieren.

 
 
Partner
Logo Deutsche BankLogo KPMGLogo FBNLogo EFB

Die Stimme der Familienunternehmer