Das Alte und die Kraft des Neuen

Das Alte und die Kraft des Neuen

Wenige Begriffe werden gegenwärtig so häufig verwendet wie Disruption und Innovation. Die Versprechungen sind gewaltig: Durch neue Technologien, agile Arbeitsmethoden und gänzlich neue Geschäftsmodelle soll die Wirtschaft zum Wohle aller auf den Kopf gestellt werden.

Am Anfang stand die Zerstörung. Zumindest bei Joseph Schumpeter, der bei seinem Versuch, die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus zu erklären, die Bedeutung des Wettbewerbs herausarbeitete. Demnach werden Unternehmer sowohl durch ökonomischen Eigennutz aber auch aufgrund psychologischer Motive zu Pionierleistungen angetrieben. Diese Leistungen sind bisherigen Verfahren oftmals so überlegen, dass sie sich allgemein durchsetzen. Da sie nicht ausschließlich vernichten, sondern Altes durch Neues ersetzen, nannte Schumpeter diese konstruktive Substituierung die „schöpferische Zerstörung“. Der innovative Unternehmer profitiert von seinen Erfindungen und ruft dadurch Nachahmer auf den Plan. Das Wechselspiel aus Imitation und Innovation ist für Schumpeter Urkraft des Wettbewerbs.

Die Konkurrenz um die besten Lösungen sorgt für einen Selektionsprozess, der gesamtgesellschaftlich vorteilhaft ist. Belohnt wird derjenige, der innovativ ist und seinen Kunden die besten Produkte anbietet. Abgestraft wird hingegen derjenige, der stehenbleibt. Hierin sah Schumpeter eine wesentliche Stärke der Marktwirtschaft. Ohne richtigen Wettbewerb gibt es weniger Innovationen und ohne Disruptionen leidet die Wettbewerbsintensität.

Damit Innovationen bestmöglich gefördert werden, braucht es Wettbewerb auf den Märkten. Dies erreicht der Staat durch einen privilegien- und diskriminierungsfreien Ordnungsrahmen. Denn die Verlierer des (drohenden) Leistungswettbewerbs und die weniger innovativen Akteure sind stets versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen, um ihren Status zu halten. Zu beobachten ist ein solches Verhalten oftmals bei Monopolisten und in Kartellen. Vor dieser Entwicklung haben in der Vergangenheit viele gewarnt und kluge Vorkehrungen gegen den Missbrauch privater Macht haben durch Wirtschaftsminister Ludwig Erhard Eingang in die Ausgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft gefunden. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) von 1957 war in dieser Hinsicht ein Meilenstein.

Neben der „privaten Macht“ lauert auch in der „öffentlichen Macht“, also dem Staat selbst, eine Gefahr für einen funktionierenden Wettbewerb. Denn beschränkt sich der Staat nicht auf die Gewährleistung eines Ordnungsrahmens für die freie Entfaltung seiner Bürger, sondern greift zudem zu stark in die Wirtschaft ein, so drohen Wettbewerbsverzerrungen und Effizienzverluste. Zentrale Steuerungsstellen haben in der Regel weniger Informationen über Bedürfnisse und Präferenzen als die Beteiligten selbst und knappe Ressourcen werden durch dezentrale Marktprozesse besser gelenkt als es eine bürokratische Instanz je könnte. Wenn also die Bundesregierung aus politischen Gründen plant, Computerchip- und Batteriefabriken in Europa anzusiedeln, dann sollte sie daran denken, dass wahre Innovationen nur dem Markt entspringen und nicht verordnet werden können. Im schlimmsten Fall schafft der so agierende Staat nur Mitnahmeeffekte und verdrängt private Initiative.

Deutschlands einzige Möglichkeit, seinen Wohlstand zu verteidigen, ist es weiterhin zu den innovativsten Nationen der Welt zu gehören. Die hohen Lohnneben- und Stromkosten, die überbordende Bürokratie und die erstickende Regulierung lassen deutsche Güter global nur dann wettbewerbsfähig erscheinen, wenn sie eben immer ein Tick innovativer und qualitativ hochwertiger sind. Dafür sind die Voraussetzungen eigentlich nicht so schlecht: Dank der mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur mit den vielen Hidden Champions hat Deutschland gute Chance, alte Stärken mit neuen Ideen zu kombinieren.

Dazu benötigen die Unternehmen jedoch eine angemessene Innovationspolitik. Neben der Sicherstellung einer hohen Wettbewerbsintensität, bedeutet das vor allem eines – Verzicht: Verzicht auf die Förderung mit der Gießkanne, Verzicht auf staatliche Globalsteuerung von Innovationen mittels Quoten sowie Verzicht auf das kleinteilige Eingreifen in Marktprozesse – so verlockend und politisch opportun das auch erscheinen mag.


 
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