Das neue Gesicht der Familienunternehmer

Das neue Gesicht der Familienunternehmer

Unsere neue Präsidentin Marie-Christine Ostermann erklärt was sie als Familienunternehmerin bewegt und welche Themen sie in ihrer Amtszeit angehen will.

Langeweile kennt Marie-Christine Ostermann nicht. Die 45-Jährige ist Geschäftsführende Gesellschafterin beim Lebensmittelgroßhandel Rullko Großeinkauf GmbH & Co. KG in Hamm und leitet das Familienunternehmen seit 2006 in vierter Generation. Das Unternehmen beschäftigt rund 200 Mitarbeiter und verzeichnete 2022 einen Umsatz von zirka 82 Millionen Euro. Sie war und ist als Aufsichtsratsmitglied in namhaften Unternehmen tätig und gründete die Non Profit Initiative Startup Teens, die Jugendlichen unternehmerisches Denken und Handeln vermittelt. Seit April 2023 ist sie Präsidentin von DIE FAMILIENUNTERNEHMER.

Frau Ostermann, Sie sind sehr rührig – seit April auch als Präsidentin der Familienunternehmer …
Ja, Familienunternehmertum ist mein Herzensthema. Deshalb ärgert es mich, dass noch zu viele politische Entscheidungen über die Köpfe der Unternehmer hinweg und gegen jegliche praktische Logik getroffen werden. Es ist unsere Aufgabe, den Menschen klarzumachen, was auf dem Spiel steht. Über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen. Wir stellen 80 Prozent der Ausbildungsplätze und fast 60 Prozent der Arbeitsplätze. Familienunternehmer haben eine große gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb müssen wir auch sichtbar sein und uns gesellschaftlich engagieren, um bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft zu erreichen.

Sichtbar waren und sind Sie. 2011 waren Sie – damals als Bundesvorsitzende von DIE JUNGEN UNTERNEHMER – die am häufigsten eingeladene Stimme der Wirtschaft in den Sendungen von Maybrit Illner, Anne Will & Co.
Ich bin nie in Talkshows wegen der Talkshows gegangen, sondern wegen der Themen und der Sichtbarkeit darauf. TV Shows sind ein Mittel, um auf die Belange der Familienunternehmer aufmerksam zu machen. Wir können aus der Praxis berichten, können erklären, wie sich politische Entscheidungen auf die Abläufe in den Betrieben auswirken, welche bürokratischen Belastungen Gesetze, wie beispielsweise das Lieferkettengesetz, nach sich ziehen. Und wie Gesetze besser gemacht werden können.

Was macht denn für Sie Unternehmertum aus?
Unternehmer zu sein, bedeutet Ideen zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für die Mitarbeiter und ihre Familien, für die Region, in der wir tief verwurzelt sind. Wir gehen tagtäglich Risiken ein, leben aber auch mit den Konsequenzen. Wir haften für unsere Entscheidungen, tragen das Risiko unseres Scheiterns – sowohl persönlich, wie auch finanziell.

Sie haben die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen angesprochen. Welche Themen wollen Sie als Präsidentin anpacken?
Da gibt es eine Menge: zum Beispiel Arbeitskräftemangel, Energieversorgung und kosten, Inflation, steigende Sozialabgaben und Steuern. Aber unserer Jahresumfrage zufolge bereitet den Unternehmern vor allem die Bürokratie durch Berichtspflichten am meisten Sorgen. Jeden Tag wird es in Deutschland aufs Neue herausfordernder, ein Unternehmen zu führen. Es wird schwerer, nicht leichter. Immer mehr Steine werden
den Unternehmern – auch von Seiten der Politik – in den Weg gelegt.

Zum Beispiel auch beim Thema Digitalisierung?
Ja, absolut. Ich persönlich finde es nach wie vor frappierend, welches Schneckentempo Deutschland beim Thema Digitalisierung fährt. Da muss ein Wandel her. Ein Wandel, den wir in unserem Unternehmen bereits vollführen. Rullko ist seit jeher auf die Belieferung von Großküchen der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie spezialisiert. Darüber hinaus bieten wir schon lange digitale Lösungen zur Prozessoptimierung von Verpflegungsleistungen an. Wir sind nicht mehr nur Lebensmittelhändler, sondern Anbieter ganzheitlicher Lösungen. Und wir sind auf dem Weg, das gesamte Unternehmen zu digitalisieren.

Während Ihrer Amtszeit an der Spitze der jungen Unternehmer haben Sie sich auch stark in Sachen Europa und Euro Rettung engagiert …
Das Thema hat nicht an Brisanz verloren – im Gegenteil. Die Europäische Union rückt immer stärker vom Familienunternehmer Prinzip – Risiko und Haftung in einer Hand – ab. Seit Ausbruch der Pandemie scheint sich eine Haltung verbreitet zu haben, jede Krise mit Staatsgeldern zu beheben. Gleichzeitig liegen die meisten europäischen Länder bei hohen Steuern und Abgaben bereits im oberen Drittel der OECD Staaten. Das ist die Kehrseite der vielen staatlichen Ausgabenprogramme. Aber nur stabile Finanzen sorgen dafür, dass die Unternehmen und die junge Generation nicht über Gebühr belastet werden und sich die EU nicht an greifbar macht. Sie muss also alles Notwendige tun, damit Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit entfalten können, um Einnahmen zu erwirtschaften, und alles unterlassen, was zusätzliche Behinderung von Unternehmertum wie Bürokratie und Berichtspflichten zur Folge hat.

Ihre Ziele für die Zukunft?
Trotz allem schaue ich positiv in die Zukunft und mein größtes Lebensziel ist es, unser 100 Jahre altes Unternehmen in einigen Jahrzehnten an eine nächste Generation übergeben zu können. Mit 16 Jahren wusste ich, dass ich unseren Betrieb weiterführen wollte. Und es war die beste Entscheidung meines Lebens. Hier bin ich zuhause.


 
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