Jürgen Trittin malt schwarz - Lutz Goebel hält dagegen
Jürgen Trittin malt schwarz - Lutz Goebel hält dagegen
Eine Diskussion in der FAZ
Jürgen Trittin forderte in seinem Beitrag in der FAZ Gerechtigkeit, die laut ihm zu mehr Gleichheit führe. Gerecht im Sinne Trittins: Erbschaftssteuer rauf, Erhöhung der Abgeltungssteuer, Finanztransaktionssteuer - vor allem Unternehmen sollen den angeblich klammen Staat vor der Pleite bewahren, der das Geld dann gerecht verteile. Lesen Sie hier, was Lutz Goebel ein paar Tage später in der Frankfurter Allgemeinen entgegnete: Trittin malt schwarzNamensartikel von Lutz Goebel, Präsident des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER Wäre Jürgen Trittin ein Maler, wären seine Bilder abstrakt und dunkel. Möglichst viel Schwarz würde er wahrscheinlich verwenden. Kürzlich legte der ehemalige Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion offen, wohin die Grünen nach seinen Vorstellungen im kommenden Wahlkampf steuern sollen. Dabei zeichnete er ein düsteres Bild von Deutschland und der Welt. Vielen seiner Punkte hätte eine etwas realistische Malweise gut getan. Zeit, mit einigen Unwahrheiten aufzuräumen. Jürgen Trittin behauptet, dass das herrschende Steuersystem Umverteilung von unten nach oben befördert. Falsch. Unser Land weist eines der effizientesten Systeme der Umverteilung durch Steuern und Sozialabgaben auf. Das ist auch von der OECD bestätigt. Es gibt in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten keine augenfällige Veränderung des sogenannten „Gini-Koeffizienten“, mit dem international vergleichbaren wissenschaftlichen Methoden Ungleichheit gemessen wird. Es gibt auch keine neoliberale Umverteilung von unten nach oben. Es gibt allerdings, wenn wir schon einmal bei Umverteilungen sind, eine grüne Umverteilung von unten nach oben, und die findet über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) statt. Da zahlt die Krankenschwester nicht nur mit ihrer Stromrechnung die netten Nebenverdienste besserverdienender grüner Stammwähler, die zu einer fixierten und garantierten Investmentrendite Energie von ihren Sonnendächern einspeisen. Jürgen Trittin behauptet, dass die Lohnquote sinke und Arbeitnehmer immer weniger Geld in der Tasche hätten. Falsch. Die Kaufkraft der deutschen Arbeitnehmer steigt Jahr um Jahr weiter an. Das liegt an stabilen Preisen und steigenden Löhnen. Die Jahre 2015 und 2016 weisen laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung einen sehr kräftigen Reallohnzuwachs von 2,5 bis 3,0 Prozent auf. Das sorgt für einen enormen Kaufkraftschub. Die jüngsten Tarifabschlüsse gehen mindestens in diese Richtung. Jürgen Trittin behauptet, dass Staaten ihre Aufgaben nicht mehr finanzieren könnten. Den deutschen Staat wird er damit kaum gemeint haben, denn dessen Gesamteinnahmen explodieren seit Jahren geradezu. Das Steueraufkommen liegt mittlerweile bei satten 673 Milliarden Euro. Allein in den vergangenen fünf Jahren ist es um 100 Milliarden Euro gestiegen. Das ist mehr als das jährliche Bruttosozialprodukt des EU-Tiger-Staates Slowakei mit seiner erfolgreichen Automobil-Zulieferer-Industrie. Der Staat kann seine Aufgaben so gut finanzieren wie noch nie. Die Lösung für all seine Untergangszenarien sieht Trittin in einer Verschärfung der Erbschaftsteuer und der Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Damit will er die längst gut ausbalancierte Umverteilung wieder in die seiner Meinung nach richtige Fließrichtung führen, Arbeitnehmer finanziell fördern, die anders (beispielsweise durch die kalte Progression) besser unterstützt werden könnten und noch mehr Geld in den Staatsapparat spülen, damit es in grünen Projekten wie z.B. dem EEG versickert. Mit der Vermögensteuer will sich Trittin als Robin Hood aufführen, der sich aber als Sheriff von Nottingham entpuppt. Ihm fehlt der Weitblick. Eine Vermögensteuer gefährdet die Substanz der Familienunternehmen mit weitreichenden Konsequenzen für viele Arbeitsplätze und den Wohlstand - und damit auch den Zusammenhalt der Gesellschaft. So kann eine Vermögensteuer von 1,5 Prozent auf das Betriebsvermögen für Unternehmen eine enorme steuerliche Zusatzbelastung (bis zu 35 Prozent) auf den Jahresgewinn bedeuten. Und die Vermögensteuer zahlt der Unternehmer auch, wenn seine Gewinne einbrechen. Das geht dann komplett auf die Substanz. Investitionen sind gefährdet genauso wie neue Arbeitsplätze. Die Argumente, die gegen eine Vermögensteuer sprechen, haben weder Jürgen Trittin noch andere seit dem grünen Steuerwahlkampf 2013 ausgeräumt. Beim Lesen seiner Ausführungen bekommt man den Eindruck, dass der ehemalige Bundesminister seinen Traum von einer rot-rot-grünen Bundesregierung noch nicht aufgegeben hat. Alles klingt nach Gleichmacherei und altbackenem linken Populismus, allerdings einem, dem die neuen Ideen ausgehen. Und damit sind wir bei einem weiteren Punkt, in dem Trittin falsch liegt. Er ist im Deutschland des Jahres 2016 nicht tabuisiert, über Gleichheit zu sprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Über „soziale Gerechtigkeit“ und „mehr Gleichheit“ wird am laufenden Band diskutiert. Es handelt sich hierbei um das eine Leitthema des politischen Diskurses in Deutschland – und zwar schon seit Jahrzehnten. Leistung und Wettbewerb werden verteufelt. Das fängt in der Schule an und hört anscheinend nicht nur bei Linken-, sondern auch bei Grünen-Politiker nicht auf. Insgesamt würde Trittins Gemälde in Schwarz etwas Realismus statt Abstraktion sowie etwas Farbe gut tun. Rot-rot-grün wäre allerdings eine schlechte Alternative.