Die Visionärin

Die Visionärin

Tresen, Wände, Decken – Henkel präsentiert sich am Hauptsitz in Düsseldorf-Holthausen so blütenweiß, man muss unwillkürlich schnuppern, ob nicht auch noch Persil-Duft in der Luft liegt.

Dr. Simone Bagel-Trah (47) empfängt im so genannten Löwenzimmer – der Löwe war früher das Markenzeichen von Henkel. In dem wohl heimeligsten Raum im ganzen Gebäude sind die Möbel schwer und kunstvoll gestaltet. Geradlinig und klar dagegen ist die Vorsitzende des Aufsichtsrats und des Gesellschafterausschusses des 1876 gegründeten Unternehmens. Doch auch wenn Firmengründer Fritz Henkel bei dem Gespräch als kleine Bronze-Version über die Schulter seiner Ur-Ur-Enkelin schaut: Heute soll es um die Zukunft von Henkel gehen. Und da steht Digitalisierung ganz oben auf der Agenda: Für uns ist die Digitalisierung auf vielen Ebenen sehr relevant. Zum einen digitalisieren wir unsere Prozesse, also beispielsweise in den Bereichen Personal und Finanzen. Und natürlich spielt das Thema auch in der Produktion eine wichtige Rolle. Durch die intelligente Verarbeitung von Big Data zu Smart Data können wir diese vielen Daten nutzen und konkrete Erkenntnisse daraus ziehen. Zum anderen spielt Digitalisierung auch für unsere Mitarbeiter eine Rolle, so Bagel-Trah. Unter anderem hat das Unternehmen das interne soziale Netzwerk Yammer eingeführt, das neben dem Austausch die Zusammenarbeit erleichtern soll. Über 20.000 der weltweit rund 50.000 Henkel-Mitarbeiter nutzen diese neue Kommunikationsplattform bereits in ihrer täglichen Arbeit. Natürlich setzt der Konsumgüterhersteller auf den direkten Draht zu Kunden und Konsumenten, die schon heute über e-Commerce-Kanäle Produkte bestellen oder über soziale Medien ohne Zeitverlust Feedback zum Produkt geben können. In Zukunft sind laut Bagel-Trah aber auch ganz andere Formen des Informationsaustauschs denkbar: Es ist vorstellbar, dass in Kooperation mit Waschmaschinenherstellern intelligente Systeme entwickelt werden, die automatisch und je nach Verschmutzung der Wäsche und Eigenschaften der Flecken die Dosierung sowie die Art des Waschmittels wählen. Über die maßgeschneiderte Dosierung könnten auch kostbare Rohstoffe geschont werden. Das wäre dann auch wieder ganz in ihrem Sinne. Bei Henkel verfolgen wir eine übergreifende Nachhaltigkeitsstrategie: Wir wollen mit weniger Ressourcen mehr erreichen. Konkret heißt das: Bis 2030 wollen wir den geschaffenen Wert im Verhältnis zu unserem ökologischen Fußabdruck verdreifachen. Dazu haben wir sechs Fokusfelder definiert. Jedes Produkt und jede Innovation, die auf den Markt kommt, muss in mindestens einem dieser Felder besser sein als der Vorgänger – zum Beispiel durch reduzierte CO2-Emissionen oder indem es weniger Wasser bei der Produktion verbraucht.
Wer Simone Bagel-Trah zuhört, merkt schnell, dass sie eins ist mit ihrem Unternehmen. Dazu gehört nicht nur, dass sie ohne nachzudenken ihre drei Lieblingsprodukte nennen kann: Persil, damit wasche ich am liebsten. Ein Haarspitzenfluid von Gliss Kur und der Pritt-Kleber – wir haben mit 1969 den gleichen Geburtsjahrgang. Sie wuchs quasi in die Firma hinein: Schon früh kam sie, Mitglied der fünften Generation, mit dem Konzern in Kontakt. Später schlug die promovierte Biologin zunächst mit ihrem eigenen Unternehmen einen familienunabhängigen Weg ein. Schließlich stieg sie bei Henkel ein. Nach Stationen in verschiedenen Aufsichtsgremien innerhalb der Henkel-Gruppe nahm sie unter anderem ihr Vorgänger Albrecht Woeste (80) unter seine Fittiche, bereitete sie intensiv auf ihre Aufgabe vor. Der Weg in ihre heutige Position war nicht vorgezeichnet. Es stand zwar zuerst nicht auf meiner Agenda. Aber als das Amt an mich herangetragen wurde, habe ich die Verantwortung übernommen und mache diese Aufgabe sehr gerne, so Bagel-Trah. Auch in ihrem eigenen Forschungsunternehmen, das die Mutter einer Tochter und eines Sohnes (13 und 11 Jahre) gemeinsam mit einem Partner führt, ist sie noch regelmäßig vor Ort. Eine willkommene Abwechslung zur Arbeit beim DAX 30 Konzern.

Wenn ich nach Hause fahre, lasse ich das Unternehmen nicht einfach hinter mir.

 
Dass im Hause Henkel alle an einem Strang ziehen, ist einer perfekten Organisation zu verdanken. Die Familie ist zwar immer größer geworden, aber wir sprechen nach wie vor mit einer Stimme, erzählt sie. Möglich mache dies ein Stammesmodell, das auf die Kinder von Fritz (Fritz Jr., Hugo und Emmy) zurückgeht. Wir haben pro Stamm einen Vertreter. Darüber gibt es ein Familienkommitee, dem Mitglieder der verschiedenen Stämme angehören. Durch diese Struktur wird sichergestellt, dass Kommunikationswege und Entscheidungsprozesse klar sind. Doch es gibt noch ein Erfolgsgeheimnis neben dem konsequenten Familien-Credo Firma vor Familie: Reden und Zuhören. So oft wie möglich. Natürlich dauert es manchmal in der Abstimmung auch einmal länger, bis der Letzte überzeugt ist – aber das lohnt sich, sagt Bagel-Trah über die Familien-Politik. Letztendlich stehen so alle geschlossen hinter der Entscheidung. Diese Einigkeit wünscht sie sich auch für Europa. Denn Konsens unter den Mitgliedern oder gar Einigkeit sucht man in der europäischen Familie besonders beim Thema Flüchtlinge gerade vergeblich. Das verfolgen auch Bagel-Trah und Henkel mit Sorge. Ich glaube, dass man hier nur gewinnen kann, wenn man als Gemeinschaft zusammenhält. Auch wenn es mit Herausforderungen verbunden ist: Es führt kein Weg daran vorbei, als europäischer Raum eine übergreifende Lösung zu finden. Auf Konzernebene geht man das Thema Flüchtlinge offensiv an. Bagel Trah: Für uns hat das zwei Seiten. Wir sehen die Chancen, aber auch unsere gesellschaftliche Verantwortung, der wir gerne nachkommen – und diese geht über Soforthilfe und Produktspenden hinaus. Für uns ist klar: Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Ganz praktisch arbeiten wir deshalb mit externen Partnern und Behörden zusammen. Zum Beispiel bieten wir gemeinsam mit der Arbeitsagentur Flüchtlingen eine dreimonatige Berufsorientierung mit Sprachkursen am Vor- und einer Hospitanz in den Betrieben am Nachmittag an. Außerdem können Flüchtlinge bei uns Praktika absolvieren oder an gezielten Coachings und Bewerbungstrainings teilnehmen. Das Angebot werde gut angenommen. Doch wie viele andere Unternehmer, die Flüchtlingen eine Perspektive bieten wollen, beklagt Simone Bagel-Trah teilweise langsam mahlende Bürokratie-Mühlen.
Es sind unterschiedlichste Themen, mit denen sich Bagel-Trah beschäftigt. Und entsprechend gefüllt sind ihre Tage: Meetings mit Vorständen, Strategien besprechen, Henkel-Führungskräfte treffen, Besuche der internationalen Standorte, der Austausch mit anderen Familienunternehmern, reden, reden, reden. Kann man sich da überhaupt noch entspannen? Wenn ich nach Hause fahre, lasse ich das Unternehmen nicht einfach hinter mir“, so Simone Bagel-Trah über ihren Job ohne Feierabend. Doch natürlich gebe es auch mal ruhigere Zeiten, da rücke dann eine Familie ganz besonders in den Fokus. Ihre eigene.

Kurz-Biografie

Dr. Simone Bagel-Trah

wurde 1969 in Düsseldorf geboren. Nach dem Biologiestudium in Bonn promovierte sie 1998 und arbeitete zunächst zwei Jahre als selbstständige Beraterin, bevor sie im Jahr 2000 ein Unternehmen für klinisch-mikrobiologische Forschung und Kommunikation gründete. 1999 übernahm Bagel-Trah ihr erstes Aufsichtsmandat im Henkel-Konzern und war dort zwischen 2001 und 2008 sowohl im Aufsichtsrat als auch im Gesellschafterausschuss tätig, bevor sie schließlich 2009 den Vorsitz beider Gremien übernahm.

 

Unternehmen

HENKEL AG & CO. KGAA

Branche: Hersteller von Konsumgütern
Gründung: 1876 in Aachen
Mitarbeiter: 49.450
Umsatz: 18,1 Milliarden Euro (2015)

 

 
Partner
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