Mutige Familienbande
Mutige Familienbande
Als wir unsere Schule gründeten, gab es in den neuen Bundesländern kein einziges privates Internat
, so Lehmann, der sich für den Standort seiner Schule auch noch ein mit 1,6 Millionen Einwohnern auf über 23.000 Quadratkilometern besonders dünn besiedeltes und wirtschaftlich schwaches Bundesland aussuchte. Sein Antrieb? Der feste Glaube an den Erfolg und an seine Idee, in Torgelow besonders begabte Schüler zu fördern und zu fordern. Damals ein neuartiger Ansatz. Pädagogisches Neuland in den neuen Bundesländern kurz nach der Wende beschreiten? Lehmanns Umfeld schüttelte ungläubig den Kopf. »Anfangs war die Skepsis schon sehr groß und viele prophezeiten uns ein baldiges Scheitern«, so Lehmann, der sich im Nachhinein um so mehr über den Erfolg seines Familienunternehmens freut. Allerdings ging es am Anfang nicht ganz ohne Bauchschmerzen. Denn anders als bei einem Immobilienprojekt, bei dem man Wohnungen schon verkauft, bevor sie überhaupt bezugsfertig sind, musste der Vater dreier Töchter erst einmal Tatsachen schaffen. »Wir haben hier alles fertig gebaut, bevor wir überhaupt nur einen Schüler hatten. Damals herrschte so eine Aufbruchstimmung, da ging das. Viele, die es nach uns versucht haben, mussten inzwischen aufgeben oder Teile ihrer Internate schließen.« Mit Torgelow geht es dagegen 23 Jahre nach der Gründung weiter bergauf. Dabei ging Lehmanns Plan, durch die Nähe zu Hamburg auch Eltern aus der Hansestadt für sein Internat zu begeistern, zuerst nicht auf. »Es hat uns tatsächlich überrascht, dass zunächst vor allem Eltern aus Mecklenburg-Vorpommern, die nach der Wende erfolgreich wirtschafteten, ihre Kinder bei uns anmeldeten«, erzählt Lehmann über die ersten Jahre nach der Gründung. Inzwischen hat sich das allerdings geändert. Auch weil die Schule mit einem Abiturdurchschnitt von 1,8 das Internats-Ranking in Deutschland anführt, verzeichnet Schloss Torgelow Anmeldungen aus ganz Deutschland und hat kräftig in neue Gebäude und Ausstattung investiert. Das Abitur hat auch Mario Lehmanns älteste Tochter Clara (22) auf Schloss Torgelow gemacht. Bereits während ihrer Schulzeit reifte bei ihr der Plan, neben ihren Schwestern Annika (20) und Marie (19) Nachfolgerin im Familienunternehmen zu werden. Wie ihr Vater studiert sie Jura, leitet erste Projekte an der Schule, an der Sie aufgewachsen ist. Nicht ganz unproblematisch, wenn man bedenkt, dass Lehrer, die sie teilweise seit ihrer Geburt kennen, jetzt ihren Weisungen folgen müssen.
In meinem Leben war das sicher bisher die größte Herausforderung, die mich auch die größte Überwindung gekostet hat. Schließlich kennen mich die Lehrer auch aus den schwierigeren Phasen meiner Entwicklung
, erzählt Clara Lehmann schmunzelnd. Eine Erfahrung, die Vater Mario am Kurpfalz Internat seiner Eltern, in dessen Leitung er ebenfalls als junger Mann einstieg, auch machte. Damals wie heute geben sich die Familienmitglieder einander Rückendeckung. Mario Lehmann: »Nach einem Konflikt mit einem Mitarbeiter stellte mein Vater klar, dass mein Wort genauso zählt wie seins. So würde ich das heute auch machen. Man muss den Mut haben, den Nachfolger einfach machen zu lassen. Auch auf die Gefahr hin, dass er Fehler begeht«.